Ist von Luxus, Prestige oder Exklusivität die Rede, denkt man nicht unbedingt als erstes an Freiburg. Der Schein trügt jedoch… hinter der typisch schweizerischen Zurückhaltung des Kantons versteckt sich eine faszinierende Vielfalt von Unternehmen, die sich der Präzision, dem handwerklichen Können und dem Streben nach Qualität von unaufdringlichem Luxus verschrieben haben. Ein Gespräch mit Jerry Krattiger, Direktor der Wirtschaftsförderung Kanton Freiburg, über eine Region, die seit jeher Wert auf Exzellenz und Diskretion legt.
Freiburg und Luxus – dieser Zusammenhang ist nicht gerade offensichtlich!
Genau das macht es ja so spannend. Der Luxus wird nicht zur Schau gestellt, sondern lässt sich nur erahnen. Bei genauerem Hinschauen entdeckt man jedoch eine Vielzahl von Akteuren mit höchsten Ansprüchen: Unternehmen, Handwerksbetriebe, Designer, die Materialien mit höchster Präzision bearbeiten, die ihre Arbeit zur Kunst erheben und nach Perfektion streben, ohne damit anzugeben. Es ist kein protziger Luxus, sondern eher eine diskrete Eleganz, die in der Realität und einer langen Tradition verwurzelt ist. Sehr schweizerisch… sehr Freiburg!
Welche Sektoren verkörpern diesen Anspruch an höchste Qualität am besten?
Das offensichtlichste Beispiel ist sicherlich die Uhrenindustrie. Cartier montiert hier seine ikonischen Uhren und Mauron Musy entwickelt im Broyebezirk seine exklusiven Modelle. Mestel ist auf hochmoderne Uhrenkomponenten spezialisiert und Rolex baut in Bulle einen neuen grossen Produktionsstandort. Aber es gibt auch andere Beispiele als Uhren! Im Bereich Premium-Food zeichnen sich insbesondere Unternehmen wie Ladurée, Nespresso oder Villars Maître Chocolatier sowie kleinere Betriebe wie Maison Amarella oder Notes de fèves aus. Cellap und Margy’s stehen für aussergewöhnliche Kosmetikprodukte und Gainerie Moderne für luxuriöse Präsentationsboxen und Verpackungslösungen. Allen gemeinsam ist die Liebe zum Detail und höchste Ansprüche, sowohl an die Herstellung als auch an das Endprodukt.
Und in der Gastronomie… Spielt die Region Freiburg auch hier eine Rolle?
Auf jeden Fall. Im Kanton gibt es sechs AOP-Produkte, die die strengen Vorgaben des Labels erfüllen und für höchste Qualität stehen. Daneben gibt es weitere regionale Spezialitäten, etwa der Greyerzer Doppelrahm, der traditionell mit handgefertigten Meringues serviert wird: Auf den ersten Blick handelt es sich um einfache Produkte. Und doch sind sie eine Form von Luxus, bei dem es um Authentizität und die Veredelung lokaler Produkte geht. Diese Exzellenz drückt sich im Geschmack aus, aber auch in der Haptik, der Ästhetik und den Emotionen. Luxus ist mehr als nur ein Preis: Er ist vor allem ein Erlebnis, ein wertvoller Moment, eine exklusive Auszeit.
Kann man sagen, dass Freiburg über ein Luxus-Ökosystem verfügt?
Ja, und es wächst stetig. Es herrscht ein richtiger Wettstreit zwischen Handwerkern, KMU und grossen Unternehmen, die zusammenarbeiten oder sich durch die gleichen Ansprüche auszeichnen. Firmen wie Bcomp oder Johnson Electric sind wichtige Partner für Akteure wie BMW, Porsche oder Volvo. Sie sind diskrete, aber unverzichtbare Glieder in den internationalen Wertschöpfungsketten mit höchsten Standards. Oder Scott Sports, dessen hochwertigen Fahrräder und Zubehör in der ganzen Welt bekannt sind. Mittlerweile gibt es ein ganzes Netzwerk aus Ingenieuren, Zulieferern und lokalen Partnern. Es ist ein komplettes Ökosystem, das sich im Premiumsegment etabliert hat und sich dort behauptet.
Mit der Innovation als treibende Kraft?
Genau. In einem Land mit einer starken Währung sind Innovation und hohe Wertschöpfung die einzigen Garanten für den Exporterfolg. Das ist eine wirtschaftliche Realität. Die Exzellenz des Kantons Freiburg beruht auf einem wissenschaftlichen Ökosystem auf höchstem Niveau. Der Kanton beherbergt einzigartige Forschungszentren wie iPrint in Marly oder den Michelin-Standort in Givisiez, die eine Schlüsselrolle beim Technologietransfer spielen. Institute wie das Adolphe Merkle Institute (AMI), ROSAS oder ChemTech verschieben die Grenzen des Wissens und gehen unmittelbar auf die Bedürfnisse der Industrie ein. Dieses wissenschaftliche Know-how ist eine Form von Exzellenz, die jedoch immateriell und unverzichtbar ist. Die Fähigkeit, sich Dinge vorzustellen, zu entwerfen und davon Prototypen herzustellen, wozu andere noch nicht in der Lage sind, ist ein seltenes und wertvolles Gut. Genau das suchen internationale Unternehmen, aber auch viele Freiburger KMU.
Spiegelt sich diese Exzellenz auch in der Lebensqualität wider?
Natürlich! Morgens in den Voralpen Mountainbike zu fahren, nachmittags in einem kristallklaren See zu baden und abends in einem gehobenen Restaurant zu essen – auch das ist Luxus. Vielleicht sogar der grösste Luxus überhaupt! Diese Lebensqualität trägt zur Attraktivität des Kantons bei. Weitere Beispiele sind Attila, ein einzigartiges Hotel-Kreuzfahrtschiff auf dem See, oder einmalige Erlebnisse wie eine Drei-Seen-Schifffahrt, eine Wanderung im majestätischen Bergmassiv der Gastlosen oder das Licht-Festival in Murten, ein bedeutendes Kulturereignis vor atemberaubender Kulisse.
Ein Wort zum Schluss?
Freiburg ist ein Land der Werte, wie der Slogan des Kantons besagt. Es ist aber auch ein Land von Wert: ein greifbarer Wert, der im Laufe der Zeit entstanden ist und von guter Arbeit, diskretem Ehrgeiz und Liebe zum Detail getragen wird. Das ist kein Image, das wir zu verkaufen versuchen, sondern die Realität. Und es ist höchste Zeit, dass wir das anerkennen, diesen Reichtum annehmen, benennen und zur Geltung bringen. Seien wir stolz, aber bleiben wir bescheiden.